Von der ersten Redaktionssitzung zur Sendung

Bis ein Beitrag endlich auf Sendung gehen kann, sind viele Schritte nötig und Wichtiges muss beachtet werden, damit der Erfolg und das Erfolgserlebnis garantiert sind. Hier die Tipps unserer Radio-Expertin Geli Schmaus vom Bayerischen Rundfunk:

Und was natürlich nicht unerwähnt bleiben darf:


Die Redaktionssitzung

Zu Beginn sollten die Kinder gemeinsam festlegen, welches Thema ihre Sendung haben soll. Oder machen sie als erstes nur einen einzigen Beitrag? Vielleicht auch nur eine erste Umfrage? Bei der Auswahl des Themas muss die Reportergruppe sich entscheiden, welcher Inhalt die Hörerinnen und Hörer der Sendung oder des Beitrags interessieren und fesseln könnte.

Die Kinder sind nun Sprachrohr für ihre Hörer(innen) und sollten sich dieser Rolle bewusst sein. Kinder haben einen ähnlichen Humor und so werden auch Kinder, wahrscheinlich die Hauptzielgruppe von Schulradios oder Schülerbeiträgen, ihren Spaß beim Hören haben.

Lassen Sie die Kinder zu Beginn Themen sammeln, die sie wirklich interessieren, die aus ihrer direkten Lebenswelt kommen, und diskutieren Sie die Ideen in der Gruppe. Müssen Sie ein Thema aus dem Lehrplan umsetzen, geben Sie der Gestaltung und der Ausrichtung möglichst viel Spielraum. Die Kinder müssen das Thema zu ihrem machen können, sonst springt der Radiofunke nicht über…

Das Arbeiten in Kleingruppen zu verschiedenen Themen hat sich bewährt. Besuchen Sie. wenn möglich. zu Beginn der Radioarbeit einen örtlichen Radiosender – das erzeugt zusätzlich Motivation und gewährt immer einen spannenden Einblick in die echte Welt der Radiomacher.


Sozialverhalten in der Reportersituation

Eine wichtige Regel, wenn man auf Leute zugeht, ist: In die Augen schauen! Machen Sie mit ihren Schüler(inne)n eine Übung: Stellen Sie einem Kind interessiert eine W-Frage und halten sie ihm das Mikrofon hin. Beginnt das Kind zu antworten, spielen Sie, Sie seien abgelenkt, schauen auf Ihre Uhr, kramen auf dem Tisch, schauen in die Luft. Schnell wird das Kind, wenn es nicht allzu aufgeregt ist, aufhören zu sprechen. Die anderen Kinder sollen Ihr (gespieltes) Verhalten beurteilen. Diese werden sofort bemerken, dass Sie sich nicht wirklich für das Kind interessiert haben und sind meist empört über dieses Verhalten. Wiederholen Sie die Situation noch einmal nach allen Regeln der Kunst oder lassen Sie es Kinder so lange versuchen, bis alle zufrieden sind.

Eine Botschaft dieser Übung an die Schülerinnen und Schüler ist: Unterschätzt eure Körpersprache nicht. Wer konzentriert zuhört, dem sieht man das auch an. Und die Interviewerin oder der Interviewer kann seine Aufmerksamkeit aktiv zeigen: Verstehendes Nicken oder auch mal ein Lachen oder Lächeln sind wichtige Botschaften an die Gesprächspartnerin oder den Gesprächspartner.

Spielend die Technik lernen
Kindern macht es Spaß, mit Erwachsenen und anderen Kindern in Kontakt zu treten, um sie zu befragen. Sie haben ein klares Ziel vor Augen: sie wollen eine Aussage einholen, ein Interview führen, einen Witz erzählt bekommen. Sie wollen, dass ihre Aufnahme gelingt und sie möchten dafür Anerkennung erhalten. Um gute Ergebnisse zu erzielen, müssen auch einige journalistische Grundregeln eingehalten werden.

Üben üben üben
Alle Kinder sollten auf dem gleichen Wissensstand in Sachen Technik sein. Spielerisch können sie sich an Mikrofon und Aufnahmegerät ausprobieren: Sie machen gegenseitige Interviews und kleine Übungsreportagen und lernen vor allem durch erste Pannen sehr viel. Und das Abhören der Aufnahmen ist aufregend und macht Spaß.


Haben Sie Zeit für eine kurze Frage?

Am liebsten machen Kinder Umfragen: Sie gehen nach draußen, sind als Medienmacher wichtig, werden meist von Erwachsenen ernst genommen und haben einen wichtigen Auftrag. Fragen sie Passant(inn)en, ob sie „kurz Zeit“ für eine Frage hätten, werden sie aber häufig enttäuscht. Die meisten Leute müssen dann plötzlich ganz schnell irgendwo hin, sind verabredet oder haben einen wichtigen Termin. Dahinter steckt oft jedoch nur die Angst der Befragten, sie könnten etwas gefragt werden, dem sie nicht gewachsen sein könnten – und das auch noch von Kindern!

Eine einfache Lösung dieses Problems: Man hängt die Frage rasch an die Vorstellung der eigenen Person und schon wissen die Befragten, dass sie die Frage durchaus bewerkstelligen können. „Guten Tag, mein Name ist Katrin von der Radiogruppe Mini Mikro und ich wollte Sie kurz fragen, wie Sie das neue Löwengehege im Tierpark finden.“ Schon wird die Gesprächspartnerin oder der Gesprächspartner willig ihre bzw. seine Meinung kundtun.


Wie bringt man Interviewpartnerinnen oder Interviewpartner dazu, mehr zu erzählen?

Schön ist es, wenn Kinder zu Beginn eines Gespräches oder Interviews beschreiben, wie der Ort aussieht, an dem sie sich befinden: ein Büro, eine Wiese, die Situation, in der das Gespräch stattfindet. Das gibt der Hörerin und dem Hörer einen direkten Einblick in die Reportersituation. Am Ende kann man diesen Beginn auch wegkürzen und die Moderatorin oder der Moderator übernimmt die Aufgabe, zu beschreiben, in welcher Situation das Gespräch stattfand.

Häufig verlaufen Interviews als reines Pingpong und es mag sich kein rechtes Gespräch entwickeln. Ein Trick: Hält man jemandem nach dem vermeintlichen Ende seiner Antwort das Mikrofon noch etwas länger „unter die Nase“, beginnt er meist noch mehr zu erzählen. Oft kommen erst dann die eigentlich spannenden Geschichten, denn anfangs versuchen Gesprächspartner(innen) meist, Fakten klar zu machen.

Schärfen Sie Ihren Schülerinnen und Schülern ein, das Mikrophon nicht aus der Hand zu geben. Gesprächspartner(innen), die das Mikrophon an sich nehmen, sind meist die, die dann nicht mehr aufhören zu reden. Es sollte allerdings nicht zu nah an den Mund der Gesprächspartner(innen) gehalten werden, sondern immer etwa eine handbreit Abstand haben, sonst schreckt man intuitiv zurück.

Der Ort der Aufnahme sollte gut gewählt sein: In einem halligen Museum macht es vielleicht Sinn, sich in einen Nebenraum zurück zu ziehen. Eine Umfrage auf einer viel befahrenen Straße hört sich nicht gut an, und so muss alternativ eine leise Seitenstraße gewählt werden.


Schule on air – Eine Sendung entsteht

Egal ob die Ergebnisse der Radioarbeit in der Klasse, vor den Eltern, beim Sommerfest, auf der Bühne oder in der großen Pause über die Lautsprecheranlage präsentiert werden, eins steht fest: Sie müssen an die Öffentlichkeit. Die erste Präsentation ist sicherlich die aufregendste, und trotz perfekter Planung lauern hier die meisten Unwägbarkeiten. Eine gute Vorbereitung und gemeinsames Planen ist hier hilfreich. Jedoch: Der Mut zur Lücke und das über sich selbst Lachen darf auf keinen Fall fehlen.

„In der Kürze liegt die Würze!“ Achten Sie unbedingt auf Längen: Der schönste Beitrag wird zäh, wenn alles mehrmals gesagt wird und Nebensachen breit gewalzt werden. Das bedeutet aber auch, dass viel geschnitten werden muss, schöne Stellen werden der Kürzung zum Opfer fallen – wie im echten Radio! Wenn Sie eine richtige „Sendung“ mit Moderation, Musik und Beiträgen planen, gliedern Sie die Sendung zusammen mit den Schülerinnen und Schülern sorgfältig: Die Anteile an Musik, Moderation und Beiträgen sollte ausgewogen sein.


Der Prozess und das Produkt – Eine Gratwanderung

Beim Radiomachen mit Kindern in der Schule geht es sowohl um pädagogische wie auch um inhaltliche Aspekte. Einige journalistische Grundregeln sollte man nicht aus den Augen verlieren, denn auch das Produkt muss funktionieren. Die Rezipient(inn)en sollten das Ergebnis wertschätzen können, hörbare Qualität ist gleichzeitig das größte Lob an die Macherinnen und Macher. Die beste Absicht funktioniert nicht, wenn letzten Endes niemand gerne zuhört.

Die Aufnahmen
Wurde von der Gruppe beschlossen, was aufgenommen wird, werden die Rollen verteilt: Wer macht die Technik, wer hört mit dem Kopfhörer ab, wer sucht einen geeigneten Ort aus, wer führt das Interview, wer macht die Reportage, wer denkt an Ersatzbatterien?

Schnitt und Sendeplanung
Sind die Aufnahmen „im Kasten“, beginnt die mühsame und langwierige Arbeit des Abhörens und Einspielens am Computer. Hier bekommt die Gruppe einen Überblick über die Ergebnisse. Kinder entwickeln schnell ein Gefühl für Qualität: Antwortet die Interviewpartnerin oder der Interviewpartner zu umständlich? Ist die Reportage doch nicht so witzig? Ist die Qualität schlecht? Fehlen Beschreibungen? Müssen vielleicht sogar Aufnahmen wiederholt werden? Das Zuhören und Diskutieren führt bei allen Kindern zu einer mehr und mehr differenzierten Beurteilungsfähigkeit.

Schlussredaktion und Sendeplanung
Nun muss die Gruppe über die Reihenfolge und Mischung der Beiträge entscheiden. Wie viel Musik ist nötig? Wer sucht sie aus? Mit was beginnt die Sendung: mit einem Klang oder einem Text? Gibt es einen oder zwei Moderator(inn)en und was sagen die? Wer sagt welchen Beitrag an? Gibt es einen Jingle für die Radiogruppe? Muss abgelesen werden oder wird frei gesprochen – reichen Stichwörter?

Action ohne Spannung – die Dramaturgie
Wichtig ist nun die Komposition der Sendung. Beliebig hintereinander gereihte Beiträge können an sich spannend und gut sein, doch richtig zur Geltung kommen sie nur durch eine schlau gewählte Dramaturgie. Am Anfang sollten so genannte „Hinhörer“ stehen, Jingles, Geräusche, eine lustige Umfrage.

Produktion
Nun beginnt der technisch schwierigste Teil: die Komposition der Beiträge zu einer runden Magazinsendung. Viele Schulradios, denen kein Computer zur Verfügung steht, nehmen einfach alle „Zuspielungen“, also alle Beiträge, auf Kassette oder einem Aufnahmegerät auf. Lediglich die Moderation wird zwischen den Beiträgen und Musikstücken „live“ gesprochen. Hat man einen Computer mit Schnittprogramm, komponiert man genauso: Man legt die Reihenfolge der Musik- und Wortbeiträge fest und nimmt erst am Schluss die Zwischenmoderationen auf.


Geschriebener Text oder freies Sprechen?

Die entstandene Magazinsendung oder auch der einzelne Beitrag mit Anmoderation ist das Produkt der Kinder. Sie sind die Moderatorinnen, die Nachrichtensprecher, die Musikansager, die Beitragsmacher. Sie präsentieren ihre Sendung der Öffentlichkeit. Mit wachsender Erfahrung legen sie ihre Hemmungen ab, zu sprechen, übernehmen Verantwortung für ihr Produkt und haben Erfolg!

Um diesen Erfolg nicht zu schmälern sei Ihnen ans Herz gelegt: Lassen Sie die Kinder keine Texte vorformulieren und ablesen. Die offene und spontan gesprochene Form ist die kindgerechteste. Im Dialog werden sie lebendig, vermitteln ihre spezifischen Interessen, spielen mit ihrem Tonfall. Sie sind spontan und werden immer lockerer und authentischer. Kinder mit wenig ausgeprägter Lesekompetenz erleben schnell Frustration, wenn sie Texte ablesen müssen. Sie haben deutlich mehr Erfolg und erlangen zudem Selbstbewusstsein, wenn sie erleben, wie sehr ihre Sprache und ihre freie Rede gelingt und überzeugt.


Von Billionen und Badewannen – Zahlen und Vergleiche

Unsere Umwelt ist eine Geräusche-, Farben-, und Ereigniskulisse. Die Aufgabe von Radiomacher(innen)n ist es, den Hörer(inne)n diese Umwelt nahe zu bringen, ihre Augen zu „ersetzen“. Ermutigen Sie die Kinder zu einer anschaulichen, alltagsnahen Sprache. Sie sollen in kurzen einfachen Sätzen sprechen, nicht in langen Schachtelsätzen.

Regeln für Zahlen und Daten

Vereinfachen Sie grundsätzlich so weit es geht, ohne die Tatsachen zu verfälschen oder Inhalte zu entstellen. Benutzen sie eine aktive, lebendige Sprache, ohne allzu umgangssprachlich zu werden.


Radio machen – vielfältige Kompetenzen erwerben

Radiomachen heißt: Die Umwelt aktiv wahrnehmen, erfassen und korrekt weitergeben. Anderen, in diesem Fall den Hörerinnen und Hörern, werden Eindrücke weitervermittelt. Die Kinder und Jugendlichen haben die Verantwortung, Dinge richtig zu schildern und zu beschreiben. Sie erfassen die Dinge, indem sie aufmerksam zuhören.

Radiomachen heißt: soziales Lernen. Die soziale Kompetenz wird durch die Gruppenarbeit gefördert, die Kinder lernen zuzuhören, hinzuhören. Die Kinder organisieren ihre Rollen weitgehend selbst, es gibt keine bessere oder schlechtere Aufgabe. Wer aufmerksam zuhört und so weiterhelfen kann, ist genau so wichtig wie der, der am Ende den Beitrag schneidet.

Radiomachen heißt: Medienkompetenz erwerben. Durch den Einblick in die Prozesse hinter den Kulissen erkennen die Kinder und Jugendlichen, wie leicht Hörbares manipulierbar ist. So werden sie mit der Zeit selbst zu verantwortlichen Mediengestalter(inne)n.

Radiomachen heißt: Förderung der Kommunikationsfähigkeit. Die Kinder lernen, selbstbewusst auf Menschen zuzugehen. In der Regel hören die Gesprächspartner(innen) den Kindern ernsthaft zu und interessieren sich für sie und ihre Belange. Dabei erfahren sie, dass Erwachsene sie ernst nehmen und sich Zeit für sie nehmen.